4 Braille-Tastaturen für Smartphones kurz vorgestellt

Die 4 hier vorgestellten Braille-Tastaturen unterscheiden sich voneinander in Bezug auf Ergonomie, den Funktionsumfang und die Bedienung. Vielleicht findest Du darunter eine, die Dich interessiert.

Die Hilfsmittel-Produzenten in Deutschland und anderswo überbieten sich zurzeit bei der Konzipierung und Erstellung von kleinen Geräten, die blinden und Sehbehinderten die Steuerung von
Smartphones und das Schreiben ohne die virtuelle Tastatur des Screens erleichtern sollen.
Help2type und rivo sind schon länger auf dem Markt. Sie arbeiten nach anderen Prinzipien als die folgenden 4 Braille-Tastaturen, die ich in diesem Artikel kurz vorstellen und vergleichen möchte:

  • My-Key der Firmen TIBS e.V. und BBTF GmbH aus Deutschland,
  • Orbit Writer ein Produkt von Orbit Research,
  • Hable One aus Holland und
  • Go Braille von FreiesSehen aus Freiburg in Breisgau.

Schon mal vorab: Keines der kleinen Geräte ist ideal. Jedes hat vor- und Nachteile. Es ist Frage des Geschmacks, der eigenen Bedürfnisse und Ansprüche, welches davon eventuell Dein Interesse weckt und sich schliesslich als das richtige erweist.

My-Key

Info und Kurzbeschreibung

Beratung, Bestellung und Support: TIBS e.V., Technische Informations- und Beratungsstelle für Blinde und Sehbehinderte in Hanau.
Webseite: My-Key – Es ist soweit!
Hersteller/Vertrieb: Firma BBTF GmbH in Neckargemünd, Deutschland.
Angeboten werden 2 Versionen des Geräts:

  • My-Key Eco mit einem Plastik Oberteil für 299 Euro und
  • My-Key Alu mit Metall Plastik Oberteil für 349 Euro.

Masse/Gewicht: (L.T.H): 16×4,5×2,53 cm, / ca. 100 g.
Die 12 tasten sind in 2 Reihen angeordnet – oben in 2 Viererblöcken die Punkte 1-8, unten nebeneinander die 4 Steuertasten.
Ein OSB-Anschluss, ein Ein/Ausschalte-Schieber und eine Möglichkeit zum Anbringen eines Trageriemens sind verfügbar.
Eine Akku-Ladung reicht für 100, im Standby ca. 70 Stunden.
Die Ladezeit des Akkus beträgt 30-60 Minuten. Zum Laden muss das Gerät eingeschaltet sein. Die Verwendung eines USB-Ladegeräts wird empfohlen.
Firmware-Updates sind via PC möglich.
Ein Bedienungshandbuch auf einem USB-Stick, der auch für die Updates verwendet werden soll, sind Bestandteil der Lieferung. Es kann auch von der My-Key-Seite im rtf-Format heruntergeladen werden.

Eigenschaften, Vor- und Nachteile

Mykey ist schmal, relativ leicht und liegt gut in den Händen.
Tasten sind ergonomisch verteilt, lassen sich flott und ohne Kraftanwendung bewegen, was für den kleinen Finger, der ja hie und da gebraucht wird, wichtig ist.
Navigation auf dem Screen in der Luft ist problemlos. Zum Schreiben empfiehlt sich eine Unterlage – ein tisch oder das Knie.
Die rutschfeste Rückseite ist hilfreich. Die Tastatur arbeitet sehr leise.
Töne und Vibrationen liefern Statusinformationen.
Befehle werden durch Drücken von Kombinationen der Steuertasten mit den Punktetasten, die sog. Chords, ausgeführt.
Der allererste Start und die Starts nach Ausschalten, d. h. das Laden der Konfiguration und die Kopplung mit meinem iPhone 12 Mini gelangen problemlos. An die etwas lange Wartezeit vor dem Arbeitsbeginn kann man sich gewöhnen, da ein Neustart nicht immer ausgeführt werden muss.
Mykey kann mit 4 iOS-Geräten unterschiedlichen Typs via Bluetooth verbunden werden, soll aber grundsätzlich auch mit Android-Smartphones funktionieren.
Vorteile:

  • Ergonomische und flotte Tastatur
  • Alle relevanten Steuerungsbefehle fürs iPhone oder iPad funktionieren tadellos.
  • Darüber hinaus bietet Mykey einige interessante Funktionen, deren sich andere Modelle nicht rühmen können. Hier sei nur die Tastenwiederholungsmöglichkeit, die eine schnelle Bewegung auf dem Screen ermöglicht, erwähnt.
  • Mit den 26 individuell und direkt mit Mykey programmierbaren Macros lassen sich längere Befehlsfolgen mit 2 Tastendrücken aufrufen und durchführen. Auch das ist einzigartig im Vergleich zu anderen Tastaturen und sehr praktisch.
  • Die Umstellung zwischen deutscher Vollschrift und 8-Punkte-Braille kann mit einem Toggle-Schalter erreicht werden. Falsche Zeichenbelegungen beim Schreiben mit der Tastatur Deutsch (Deutschland), die momentan vorausgesetzt wird, sind mir nicht aufgefallen.
  • Die Logik bei der Zuordnung von Tastenkombinationen zu Befehlen ist erkennbar, was das Erlernen der umfangreichen Bedienungsmöglichkeiten erleichtert.
  • Die Möglichkeit kurzfristiger Entkopplung und Wiederverbindung mit dem iPhone oder iPad verkürzt die Wartezeit bis zur Erweckung des Mykey vom Standby-Modus zum akzeptablen Minimum. Will man doch schnell etwas aufschreiben oder einen Befehl ausführen können.
  • Die Taktung der Tastenwiederholung lässt sich nach Gusto einstellen. So kann zum Beispiel auf viele Wischgesten nacheinander verzichtet werden, indem ein längerer Druck auf die entsprechende Tastenkombination ausgeführt wird.

Nachteile:

  • Für einige, aber nicht alle Aktionen, denen per Default In Einstellungen/VoiceOver/Befehle keine Tastenkürzel zugeordnet wurden, schlägt Mykey Tastenkombinationen vor, die der Nutzer selber einrichten muss. Das ist unvollständig und schränkt die Flexibilität im Umgang mit diesem Feature des iOS-Geräts ein.
  • Einige, zum Teil Spezielle, zum Teil sehr nützliche und einzigartige Einstellungen wie die Tasten-Koordination für Chords können nur in Konfigurationsdateien vorgenommen werden, was Erfahrung im Umgang mit codierten Dateien voraussetzt und nicht unbedingt jedermanns Sache ist.

Orbit Writer

Info und Beschreibung

Hersteller: Orbit Research, Wilmington, USA
Vertrieb AUCH IN DIE Schweiz: Access Solutions, Paris,
Preiss: 175 Euro.
Masse/Gewicht: (L.T.H): 16×6,5×0,8 cm / 90 g.
Das aktuelle Bedienungshandbuch in Englisch kann von der Seite des Produzenten
in verschiedenen Formaten heruntergeladen werden.
Das Plastikgehäuse und die 8-Punkte-tastatur im Perkins-Stil mit einem Joystick in der Mitte sind robust. Auf der linken Seite befindet sich ein Mini-USB-B-Anschluss, im mittleren Teil der Vorderkante kann ein Trageband angebracht werden. Es gibt keinen Einschaltknopf oder -Schieber.
Die Ladezeit beträgt 2 Stunden. Eine Akku-Ladung reicht für 3 Tage.

Eigenschaften, Vor- und Nachteile

Orbit Writer ist flach, dünn und fühlt sich leicht an. Die Tastatur eignet sich besser zum Gebrauch auf einer Unterlage als in der Luft. Die Tasten verlangen keinen starken Druck. Ein- und ausgeschaltet wird das Gerät durch Drücken der oberen und unteren Tasten des Joysticks, wonach eine kurze oder lange Vibration spürbar ist. Das Gerät schaltet sich automatisch aus nach einer gewissen Zeit, die sich einstellen lässt. 4 Stufen von 5 bis 30 Minuten sind möglich.
Befehle werden durch sog. Chords aktiviert. Es sind Kombinationen von Punktetasten mit der Leertaste oder Joystick-Tasten. Sie entsprechen im grossen Ganzen den Steuerbefehlen für eine Braille-Zeile.
Vibrationen informieren über verschiedene Status-elemente wie den Akkuzustand.
Orbit Writer lässt sich mit 6 Geräten, inklusive PC koppeln, 5 Verbindungen via Bluetooth, eine via USB sind möglich. Das Gerät funktioniert auch mit Android-Smartphones.
Firmware-Update-Pakete können von der Seite des Herstellers heruntergeladen und installiert werden.
Vorteile:

  • Die linke und rechte Taste des Joysticks ermöglichen das Navigieren zwischen den Objekten auf dem Home-Screen. Wurde ein Rotor eingestellt, kann die gewünschte Option mit der oberen und unteren Joystick-Taste gewählt werden. Mit dem OK-Knopf in der Mitte lassen sich Apps öffnen und Tasten aktivieren.
  • Der Braille-Eingabemodus lässt sich umstellen. Die Eingabe in Voll- oder Kurzschrift funktioniert gut. Mit den ergonomisch angebrachten Tasten stellt das Schreiben im 8-Punkte-braille kein Problem dar.
  • Befehlen, denen keine Tastenkombination zugeordnet wurden, können nach Gusto und ohne Einschränkung welche zugewiesen werden, was in VoiceOver/Befehle/Orbit Writer geschieht.
  • Sobald die gewünschten Bluetooth-Verbindungen stabil funktionieren, kann mit einem Druck auf die entsprechenden Tastenkombinationen einfach und schnell, zum Beispiel zwischen iPhone und iPad geswitcht werden. Das bieten die anderen Modelle nicht oder nicht zuverlässig.

Nachteile:

  • Die Ersteinrichtung verlangt einige Voreinstellungen, passiert also nicht einfach via Bluetooth, sondern im Bereich VoiceOver/Brailleschrift.
  • Nicht selten geht die Verbindung verloren, was die Neueinrichtung nötig macht.
  • Entsperren des iPhones ist nicht direkt nur vom Orbit Writer ohne Weiteres machbar.
  • Eigentlich sollte sich Orbit Writer nach dem Einschalten mit dem aktiven iPhone automatisch verbinden, was nicht immer sofort funktioniert. Will man doch die Tastatur schnell zur Hand haben, um etwas aufzuschreiben. Die 10 Sekunden dauernde Wartezeit ist auch zu lang.
  • Die Tastatur könnte meiner Ansicht nach leiser sein.

Hable One

Info und Beschreibung

Hersteller/Vertrieb: Hable One BV aus Eindhoven (NL
Webseite in Deutsch.
Preis: 249 Euro.
Masse: (L.T.H): 12×6,5×3,2 cm, ca. 100 g. Das Gerät ist aus Kunststoff.
Die 6 runden Tasten auf der Vorderseite des Geräts sind vertikal in 2 Spalten angeordnet. Links und rechts daneben, auf der Höhe von Tasten für Punkt 1 resp. 4 befinden sich längliche Tasten 7 und 8. Ein Micro-USB-C-Kabel der zum Aufladen und für Updates via PC dient, wurde auf der schmalen unteren Seite angebracht. In der Ecke rechts daneben kann ein Tragebändchen befestigt werden. Der Ein/Ausschalter befindet sich in der Mitte der oberen schmalen Seite.
Die Ladezeit des Akkus dauert 3 Stunden, eine Ladung reicht für ca. 3 Tage.
Das Gerät schaltet sich nach einer gewissen Zeit, die eingestellt werden kann, ab, was die Lebensdauer der Batterie verlängert.
Eine Anleitung für Einsteiger, ein Funktionshandbuch sowie ein Problemlösungsleitfaden können in diversen Formaten von der Seite des Produzenten
heruntergeladen werden.

Eigenschaften Vor- und Nachteile

Die Tastatur des relativ leichten Geräts ist gewöhnungsbedürftig. Sie ermöglicht aber sowohl das Steuern des iPhones als auch das ziemlich flotte Schreiben in der Luft.
Die Befehle werden durch Drücken und Halten der ihnen zugewiesenen Tastenkombinationen ausgeführt.
Hable One unterstützt beim Schreiben neben Deutsch auch Französisch und ein Paar andere Sprachen. Voraussetzung dafür ist die Wahl der richtigen Tastatur.
Verschiedenartige Vibrationen informieren über den Status des Geräts und den Abschluss von Aktionen.
Hable One funktioniert mit iOS- und Android-Smartphones und -Tablets, lässt sich mit 5 Geräten koppeln, aber nicht gleichzeitig nutzen.
Vorteile:

  • Das Gerät ist relativ leicht und gut ohne Unterlage zu bedienen.
  • Das einrichten und die Erstkopplung via Bluetooth sind einfach durchführbar. Die Verbindung mit dem Smartphone geschieht ohne Wartezeit und zuverlässig, egal ob das iPhone gesperrt oder aktiv ist.
  • Das Sperren und entsperren via Hable One einschliesslich Code-eingabe funktionieren gut.
  • Das Ausführen von Befehlen durch längeres Drücken von zugeordneten Tastenkombinationen ist bequem. Die Druckzeit kann im Menu eingestellt werden.
  • Wird die Schnelle Navigation mit Einzelbuchstaben eingeschaltet, kann man im Browser bequem zwischen Überschriften, Links, Tabellen usw. springen.

Nachteile:

  • Richtiges Achtpunktebraille wird nicht unterstützt. Auch wenn es möglich wäre, die Punkte 7 und 8 systemkonform zu verwenden, müsste der Nutzer zu einem Fingerakrobat mutieren.
  • Für Deutsch gehen eigentlich nur die Basis- und die Vollschrift.
  • Einige in Schwarzschrift gleichbedeutende und aussehende Sonderzeichen wurden mit verschiedenen Punktekombinationen doppelt belegt, einige können gar nicht wiedergegeben werden.
  • Ich bin auf die eine oder andere im Handbuch genannte Funktion gestossen, deren Ausführung mir nicht gelang. Es könnte an meinem Testgerät, aber auch an der Implementation oder an unvollständige Erläuterung liegen.

goBraille

Info und Beschreibung

Produzent/Vertrieb: FreiesSehen e.V.
aus Freiburg in Deutschland
Preis: 379 Euro
Masse/Gewicht: (T.B.H): 9,7x6x1,1 cm / 45 g.
Es ist eine mobile Braille Bluetooth-Tastatur aus Kunststoff, der sich wie Holz anfühlt.
Die 8 Tasten sind vertikal links und rechts in 2 Spalten angeordnet, wobei diejenige für Punkt 7 und 8 hinter den Spalten 1-3 und 4-6 stehen. Das Gerät soll magnetisch am Smartphone angebracht werden. An der vom Nutzer abgewandten kurzen und schmalen Seite befindet sich ein Anschluss für ein USB-A auf USB-C Ladekabel.
Das Gerät wird durch einen langen Druck auf die Taste 7 eingeschaltet.
Eine Akkuladung reicht für 10 Tage.
Ob die Update-Möglichkeit der Firmware via PC besteht, ist mir unbekannt.
Eine Bedienungsanleitung im pdf-Format ist per E-Mail vom Hersteller erhältlich.

Eigenschaften, Vor- und Nachteile

GoBraille funktioniert sowohl mit iOS- wie mit Android-Geräten.
Die Tastatur ist gewöhnungsbedürftig und ergonomisch gesehen eher schwerfällig. Die Tasten verlangen im Vergleich zu den oben beschriebenen Modellen einen stärkeren Druck. Befehle werden durch langes gedrückt halten von ihnen zugewiesenen Punktekombinationen aufgerufen, wobei die Haltezeit im Menu eingestellt werden kann.
Die Navigation auf dem Screen, Sprünge zu bestimmten Stellen sowie das Scrollen und der Rotor funktionieren gut, andere Befehle aber mehr oder weniger unzuverlässig.
In der Textverarbeitung muss auf das Zusammenwirken von iPhone- und Text-Schnellnavigation geachtet werden.
Vorteile:

  • Klein und leicht.
  • Der Akkustand wird auf dem Homescreen angezeigt, wenn das entsprechende Widget verfügbar ist.
  • Die Kopplung mit dem iPhone ist einfach. Die Verbindung zum iPhone kommt zuverlässig und ohne Wartezeit zustande.

Nachteile:

  • GoBraille vibriert bei jedem Tastendruck, was nervig ist und obendrein eine Energieverschwendung.
  • Das Gerät schaltet sich automatisch nach 2 Minuten aus. Dieses Verhalten kann weder eingestellt, noch den eigenen Bedürfnissen angepasst werden.
  • Einfache Texte können in 8-Punkte-Braille eingetippt werden. Wichtige Symbole aber, wie zum Beispiel das AT-Zeichen werden falsch wiedergegeben, was das Aufschreiben einer E-Mail-Adresse unmöglich macht.
  • Das Ladekabel ist zu kurz.
  • Schlussbemerkung

    Alle hier vorgestellten Produkte sollen im Grossen und Ganzen helfen, den Touchscreen bei der Nutzung der Smartphones ein Stückweit zu ersetzen. Dabei kommen bei der Gestaltung und der Art und Weise wie Funktionen aufgerufen werden verschiedene Prinzipien zum Tragen. Während My-Key und Orbit Writer auf Altbewehrtes – eine Perkins-ähnliche 8-Punkte-Ttastatur und Chords als Auslöser von Aktionen – setzen, beschreiten Hable One und goBraille mit ihren vertikal angelegten Tasten und langem Druck auf deren Kombinationen für Befehle einen anderen Weg.
    Welcher Ansatz bei Nutzerinnen und Nutzern mehr Anklang findet, wird sich erst zeigen. In jedem Fall werden die implementierten Features, die Bedienfreundlichkeit, die individuellen Präferenzen und vor allem die reibungslose Funktion der Geräte die Wahl des Produkts beeinflussen.
    Wichtig: Dieser Artikel ist eine Momentaufnahme von Eigenschaften und Funktionen der vier vorgestellten Braille-Tastaturen. Alle Anbieter arbeiten an der Weiterentwicklung ihrer Produkte. Zu hoffen bleibt, dass künftige Updates der Firmware Verbesserungen in der Bedienung und Nutzbarkeit dieser kleinen Smartphone-Begleiter mit sich bringen werden.

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